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Die Stadt Freiburg strebt ein gutes Fahrradnetz und einen präsenten ÖPNV an und möchte Vorreiterin der Verkehrswende sein. Dieser Rolle sollte und muss sich Freiburg auch bei neuen baupolitischen Projekten bewusst sein. Als GRÜNE JUGEND Freiburg sehen wir den geplanten Stadttunnel als fatalen Rückschritt weg von den Bestrebungen für ein klima- und sozialgerechtes Freiburg an und sprechen uns deshalb klar gegen dieses Bauprojekt aus.

Als grüne Jugendorganisation setzen wir uns für die klima- und sozialgerechte Verkehrswende ein. Der geplante Bau des Stadttunnels widerspricht diesem Ziel: der Status Quo einer autozentrierten Stadt wird weiter zementiert. Denn die Forschung belegt: Wer jetzt Autobahnen sät, wird in Zukunft mehr Autoverkehr ernten.(1) Indem der Stadttunnel Fahrzeiten verkürzt und den Verkehrsfluss verbessert, macht er Durchfahrten von Auto- und Güterverkehr noch attraktiver. Anstatt Verkehr zu verringern, würden Lasten- und Pendelverkehr verstärkt, und die Klimabelastung weiter vergrößert werden. Nach der Fertigstellung wird von der Autobahn GmbH ein erhöhtes tägliches Verkehrsaufkommen von zwei Prozent, also rund 1300 Fahrzeugen prognostiziert.(2) Doch diese Zahlen stehen unter Kritik: vergangene Straßenbauprojekte haben gezeigt, dass es oft zu einer deutlich stärkeren Verkehrszunahme von fünf bis zehn Prozent kommt.(3) Unklare und einseitige Gutachten können nicht die Basis für Freiburgs verkehrspolitische Zukunft sein. Statt Investitionen in veraltete Infrastruktur brauchen wir mehr Anreize für den nötigen Umstieg auf klimafreundlichere Personen- und Güter-Verkehrsmittel.

Der Stadttunnel widerspricht auch dem Ziel der Emissionsreduktion, vor allem durch seine CO2-intensive Bauphase. Nach vorläufigen Schätzungen von Mobilitätsexperte Axel Schwipps (TU Berlin) würde es zu 321.000 Tonnen CO2-Emissionen kommen, vor allem durch die Produktion von Stahl und Zement. Die zu erwartenden Einsparungen durch den erhöhten Verkehrsfluss und die Fahrtzeitverkürzungen nach dem Bau belaufen sich jedoch auf gerade einmal 2.600 Tonnen CO2 pro Jahr. Das heißt: Der Stadttunnel rechnet sich erst in 122 Jahren – viel zu spät im Angesicht einer drängenden Klimakrise.(3) Außerdem würde der steigende Gesamtverkehr nach der Fertigstellung zusätzliche Emissionen verursachen. Der Verkehrssektor ist für rund 19 Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich, wovon circa 97 Prozent durch den Straßenverkehr entstehen. Schon jetzt erreicht der Sektor nicht die im Bundesklimaschutzgesetz vorgeschriebenen Minderungsziele und hat seine Emissionen gegenüber 1990 nur um 18,2 Prozent reduziert.(4) Der Bau des verkehrsanziehenden Stadttunnels widerspricht den Empfehlungen des Expertenrats für Klimafragen und steht im Gegensatz zu den Klimazielen des Landes und des Bundes, Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Der Auto- und Güterverkehr von täglich 60.000 Fahrzeugen(3) stellt schon heute eine starke Belastung für Anwohner*innen dar. Während der Bauzeit von optimistisch geschätzten acht Jahren wird es zu zusätzlichen Belastungen für die Menschen im anliegenden Stadtteil Wiehre kommen, da der Verkehr voraussichtlich durch ihn umgeleitet werden muss. Zudem ist unklar, wie die Erreichbarkeit des Freiburger Ostens durch Rettungsdienste und öffentliche Verkehrsmittel während der Bauzeit sichergestellt bleibt. Auch nach dem geplanten Abschluss des Projekts 2040 wird es oberirdischen Verkehr auf der Wiehreseite der Dreisam geben. Dieser Teil der B31 wird laut aktueller Planung nicht zurückgebaut. Nach derzeitigen Informationen der Stadt Freiburg soll weiterhin ein Drittel des Gesamtverkehrs oberirdisch verlaufen.(5) Zusätzlich würden noch Lärm- und Abgasbelastungen entstehen, wenn der unterirdische Verkehr bei Wartungen und Unfällen im Tunnel oberirdisch umgeleitet werden müsste. Auf der Innenstadtseite soll ein „Dreisamboulevard“ zu einer Aufwertung der Innenstadt führen, vorausgesetzt des Regierungspräsidium entwidmet die Straße und gibt sie an die Stadt Freiburg zurück. Erst dann bestünde die Möglichkeit, die dortige B31 zurückzubauen. Würde dies gelingen, kämen weitere Fragen der Sozial- und Klimagerechtigkeit auf. Wird der Wohnraum am „Dreisamboulevard“ noch weiter Opfer von Spekulation und Gentrifizierung? Wie können trotz dem Bau des Stadttunnels und Boulevards die Klimaziele erreicht werden? Wieviel wird das Verkehrsaufkommen weiterwachsen?

Freiburg trifft mit dem Stadttunnel eine Entscheidung mit weitreichenden regionalen und globalen Konsequenzen. Durch einen Stadttunnel würde die Durchfahrt durch Freiburg für Personen- und Güterverkehr vereinfacht werden. Der dadurch zu erwartende zusätzliche Verkehr würde nicht nur Freiburg, sondern für den gesamten Südschwarzwald und insbesondere für die umliegende Gemeinden eine Mehrbelastung darstellen. Der Stadttunnel ist ein Freiburg-zentristisches Projekt und widerspricht der überregional bekannten Vorbildfunktion von Freiburg als „Greencity“. Statt für Jahrzehnte viel Planungskapazität in dieses Vorhaben zu stecken, sollte zügig ein Alternativkonzept zur Reduktion des Verkehrs erarbeitet werden, damit der Stadttunnel überflüssig wird. Wir sind überzeugt, dass es auch ohne Tunnel eine Erweiterung der Innenstadt und eine Reduktion des oberirdischen Verkehrs geben kann. Um darüber allerdings seriös diskutieren zu können, braucht es aus unserer Sicht ein Verkehrsgutachten für die Region Freiburg, dass weitere Möglichkeiten der Verkehrsreduktion prüft.

Freiburg muss regional, national und auf globaler Ebene Verantwortung übernehmen. Der Bau des Tunnels wird dieser Verantwortung nicht gerecht, verlagert das Verkehrsproblem nur in die Tiefe und löst es nicht! Als Projekt abseits der Verkehrswende handelt es sich nicht um eine zukunftsorientierte Investition, sondern um eine Scheinlösung. Will Freiburg glaubwürdig hinter Klimaschutz stehen, kann das Projekt Stadttunnel in seinem Widerspruch zu Klimagerechtigkeit, nachhaltiger Entwicklung, und globaler Verantwortung nicht weiter verteidigt werden. Was wir jetzt brauchen, sind Investitionen in unsere Zukunft, in klimagerechte Mobilität und eine echte Verkehrswende. Deshalb lehnen wir das Bauprojekt Stadttunnel ab.

Grüne Jugend Freiburg

Unterstützt von:

  • Hannes Wagner (Freiburger Stadtrat Bündnis 90/die Grünen)
  • Pia Maria Federer (Freiburger Stadträtin Bündnis 90/die Grünen)
  • Annabelle von Kalckreuth (Freiburger Stadträtin Bündnis 90/die Grünen)
  • Volker Finke
  • Monika Zimmermann
  • Philipp-Martin Spitczok von Brisinski
  • CampusGrün Freiburg
  • Statttunnel – keine Autobahn durch Freiburg
  • Klimaaktionsbündis Freiburg
  • FUSS e.V. Ortsgruppe Freiburg-Südbaden
  • Zukunftsakademie Freiburg
  • Parents for Future Freiburg
  • BUNDjugend Freiburg
  • Omas for Future Freiburg
  • BUND Freiburg
  • Fuß- und Radentscheid Freiburg
  • Health for Future Freiburg
  • Christians for Future Freiburg
  • Students for Future Freiburg
  • Attac Freiburg
  • Klimabündnis Freiburg
  • NABU Freiburg
  • Klimaentscheid Freiburg
  • Scientists for Future Freiburg
  • Letzte Generation Freiburg

Quellen:

  • (1) Agora Verkehrswende (2022). Weniger Verkehr versuchen. https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/weniger-verkehr-versuchen/
  • (2) Autobahn GmbH (2022). Die Verkehrsuntersuchung zum Projekt A 860. https://stadttunnel-freiburg.de/verkehrsuntersuchung
  • (3) Joers, M. (2023, 01. Februar). Kritischer Blick auf den Tunnel. Freiburger Wochenbericht. https://www.freiburger-wochenbericht.de/archiv/aktuelle-ausgabe/
  • (4) Umweltbundesamt (2022). Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2022. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/berichterstattung-unter-der-klimarahmenkonvention-7
  • (5) Stadttunnel Freiburg. Basiswissen zum Stadttunnel. https://stadttunnel-freiburg.de/basiswissen-stadttunnel

Hier findest du das Positionspapier als PDF: