Offener Brief

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Martin Horn,

Als Sie vor fast drei Jahren öffentlich angekündigt haben, auf das Oberbürgermeister*innenamt zu kandidieren, haben Sie viele Hoffnungen auf mehr Transparenz und Einbeziehung von jungen Menschen bei wichtigen kommunalpolitischen Entscheidungen geweckt. Die Vorgänge der letzten Monate rund um die geplante Einführung von Schlagstöcken für den Gemeindevollzugsdienst haben uns daher sehr enttäuscht!

Bereits in der Vergangenheit war das Thema Gemeindevollzugsdienst (GVD) stark umstritten. Nach langer Debatte gab es im Jahr 2017 mit dem sogenannten „Freiburger Weg“ schließlich den Versuch eines Kompromisses. Damals wurde entschieden, dass die Hauptaufgabe des GVD darin liegen soll, deeskalierend aufzutreten und bei Konflikten zwischen Streitparteien zu vermitteln. Damals wurde versprochen, dass jede weitere Entscheidung bezüglich des Ordnungsdienstes auf der Basis einer ausführlichen, wissenschaftlichen Evaluation getroffen werden sollte.

Mit der Erhöhung der Personalstellen und einer Ausweitung der Befugnisse, des Geltungsbereiches und der Kontrollzeiten ohne eine solche Evaluation  wurde dieses Versprechen  bereits im Jahr 2018  gebrochen. Die vereinbarte Evaluation wurde schließlich erst im Frühsommer 2020 veröffentlicht. Trotz zweifelhafter methodischer Seriosität und wissenschaftlicher Aussagekraft offenbart diese, wie schlecht der GVD insbesondere bei jungen Nutzer*innen der Innenstadt ankommt. Nur 7% der unter 25-Jährigen verspüren durch die Arbeit des GVD ein starkes Sicherheitsgefühl. 

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass beim Thema Gemeindevollzugsdienst verschiedenste Interessen aufeinandertreffen. Von einem Oberbürgermeister, der explizit mit dem Slogan „Freiburg gemeinsam gestalten“ angetreten ist, erwarten wir, dass alle gesellschaftlichen Gruppen am Entscheidungsprozess beteiligt werden, ob der GVD noch stärker bewaffnet wird. Eine einsame Entscheidung der Rathausspitze, die eindeutig nicht von einer demokratischen Mehrheit im Gemeinderat unterstützt wird, wäre daher nicht nur ein krasser Fehler, sondern auch eine Richtungsentscheidung gegen die politische Beteiligung vor allem junger Menschen in Freiburg.

Der EKA (Einsatzstock kurz ausziehbar) wird von der Freiburger Polizei selbst als gefährliche Waffe, die nur knapp unter der Schusswaffe einzuordnen ist, beschrieben. Die aktuelle Sicherheitslage in Freiburg rechtfertigt diese geplante Verschärfung jedoch in keinster Weise. Vielmehr droht die Einführung des EKA  Freiburgs Charakter als bunte und weltoffene Stadt zu beschädigen und durch den Eindruck eines repressiven Ordnungsregimes zu ersetzen.

Junge Menschen sind überdurchschnittlich stark von Kriminalität betroffen und gleichzeitig die größte Interessengruppe in Bezug auf die Nutzung innerstädtischen Raums. Deshalb sollten sie bei solchen Debatten gehört und einbezogen werden, besonders vom jüngsten Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Das Thema nur in einer nicht-öffentlichen Ältestenratssitzung anzusprechen und auch anschließend lange Zeit nicht auf die Kritik und den Gesprächsbedarf der Fraktionen einzugehen, steht im klarenWiderspruch zu Ihren Versprechen aus dem Wahlkampf.

Wir fordern, dass Sie, Herr Oberbürgermeister Horn, sich noch im September zur geplanten Bewaffnung des GVDs mit Schlagstöcken öffentlich erklären und klar von einer zusätzlichen Bewaffnung der städtischen Angestellten Abstand zu nehmen.


Edit: Stadträtin Vanessa Carboni hat gemeinsam mit der Grünen Fraktion Freiburg schon im März einen Brief zu diesem Thema an Obrbürgermeister Martin Horn geschrieben. Bis heute haben sie keine Antwort bekommen. Wir finden das ist ein Skandal!

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